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Niemand braucht sich seiner Inkontinenz zu schämen – früh gegensteuern

Der ungewollte Verlust von Harn kann das Alltagsleben und die Lebensqualität beeinträchtigen, manche:r schämt sich der Inkontinenz und traut sich kaum mehr aus dem Haus. Betroffene sollen frühzeitig die Hausärztin oder den Hausarzt aufsuchen. Es gibt verschiedene Formen und Ursachen, oftmals ist eine erfolgreiche Behandlung möglich, außerdem gibt es gute Hilfsmittel.

Vielleicht kennen Sie das, dass beim Lachen, Husten oder beim Auheben der schweren Einkaufstasche ein paar Tropfen Harn verloren gehen. Auch wenn mehr Frauen von Harninkontinenz betroffen sind, so quält dieses Leiden auch Männer, etwa mit vergrößerter Prostata. Aus Scham kommen Betroffene oft erst spät zur Ärztin oder zum Arzt, dabei steigt der Erfolg einer Behandlung, wenn frühzeitig mit ihr begonnen wird. Rund fünf Prozent der Bevölkerung sind mehr oder minder von Harninkontinenz betroffen, das Risiko nimmt mit dem Alter zu.

Eine gesunde Blase kann 350 bis 400 ml Harn speichern, Männer mehr als Frauen. Ist die Blase mit etwa einem Viertelliter Harn gefüllt, macht sich Harndrang spürbar. Wir gehen 4 bis 7 x – je nach Flüssigkeitsaufnahme – zur Entleerung auf die Toilette. Dabei scheidet man 1,5 bis 2 l Harn täglich aus.

Vielfältige Ursachen

Häufige Gründe für Inkontinenz sind:

  • Bestimmte Erkrankungen, wie etwa Diabetes, neurologische Erkrankungen wie Morbus Parkinson und Multiple Sklerose, die beide eine Steuerung der Blase über das Nervensystem stören. Eine vergrößerte Prostata kann den Harnabfluss behindern. Starkes Übergewicht erhöht den Druck im Bauchraum und im Beckenboden, was die Belastungsinkontinenz fördern kann.
  • Schwangerschaft und Geburt beanspruchen den Beckenboden stark. Durch die Geburt kann sich die Lage von Harnröhre und Blase verändern und der Schließmuskel funktioniert nicht mehr richtig.
  • Depression und psychische Belastung durch Stress in Beruf und Privatleben.
  • Schwere körperlicher Arbeit kann den Beckenboden belasten und schädigen.
  • Alter

Weitere Risikofaktoren sind: Bindegewebsschwäche, Übergewicht, häufige Verstopfung, chronischer Husten, viel Sport mit Erschütterungen wie etwa Joggen.

Inkontinenz und ihre Symptome

Die am häufigsten vorkommenden Formen sind:

  • Belastungsinkontinenz (früher Stressinkontinenz): Betrifft vorwiegend Frauen, die meist geringe Mengen Harn verlieren, wenn sich der Druck im Bauchraum erhöht, wie etwa beim Lachen, Niesen, Pressen, Husten. Grund ist oft die Schwäche des Beckenbodens, der die Beckenorgane in Position hält und den Blasenschließmuskel stützt. Nach einer Entbindung kann vorübergehend Inkontinenz auftreten. Wichtig ist daher für Frauen einige Wochen nach der Geburt – den richtigen Zeitpunkt mit der Ärztin oder dem Arzt besprechen – mit Beckenbodengymnastik zu beginnen.

Bei Männern kann eine Operation der Prostata (Prostatakrebs) zu Inkontinenz (oftmals vorübergehend) führen.

  • Dranginkontinenz oder überaktive Blase: Bei dieser Form setzt der Harndrang plötzlich und stark ein, oft schaffen es Betroffene nicht mehr rechtzeitig zur Toilette und verlieren ungewollt kleine Mengen Urin ab. Meist müssen die Betroffenen auch sehr häufig die Toilette aufsuchen. Die Blase kann den Harn nicht ausreichend speichern, schon bei geringer Füllung kommt das Signal „Blase voll“.

Der Blasenschließmuskel ist meist intakt reagiert aber übersensibel. Die Dranginkontinenz ist die häufigste Form, unter der Männer leiden.

Ursachen können neben dem Alter, Erkrankungen der Blase, neurologische Erkrankungen, eine gutartig vergrößerte Prostata und Harnröhrenverengung sein. Manchmal wird auch keine organische Ursache gefunden.

  • Mischinkontinenz: Drang- und Belastungsinkontinenz können kombiniert auftreten.
  • Überlaufinkontinenz: Bei dieser Blasenentleerungsstörung ist die Blase immer voll, weil Betroffene, sie nicht ganz entleeren können, somit bleibt Restharn und die Blase läuft buchstäblich über. Die Folge ist kontinuierliches Harntröpfeln aus der maximal gefüllten Blase. Männer leiden unter dieser Form häufiger, weil eine vergrößerte Prostata einer der Hauptgründe ist.

Niemand braucht sich des unwillkürlichen Harnverlustes zu schämen, sondern soll zeitnah die Hausärztin oder den Hausarzt aufsuchen. Sinnvoll ist es zum Arztbesuch ein Blasentagebuch mitzubringen, das unter folgendem Link der Österreichischen Gesellschaft für Urologie heruntergeladen werden kann

Die Ärztin oder der Arzt entscheiden nach dem Gespräch über weitere Abklärung und Untersuchungen bei der Fachärztin oder dem Facharzt für Urologie oder Gynäkologie.

 

Früh und individuell behandeln

Je nach Form, Ausprägung, Ursache und Leidensdruck wird mit der Patientin/dem Patienten ein individuelles Behandlungskonzept erstellt. In Frage kommen nichtmedikamentöse sowie medikamentöse Therapien und bei geringem Erfolg dieser Maßnahmen auch operative Eingriffe.

Therapeutische Optionen:

  • Beckenbodentraining: Vielen Betroffenen hilft bei geringfügigem Harnverlust die Kräftigung des Beckenbodens. Das Training soll unbedingt unter Anleitung von Fachkundigen wie zum Beispiel Physiotherapeutin oder -therapeut durchgeführt werden. Oft fällt es anfangs schwer die Beckenbodenmuskulatur zu spüren und gezielt zu aktivieren. In diesem Fall ist Biofeedbacktraining hilfreich. Auch Elektrostimulation kann den Vorgang unterstützen.

Beckenbodentraining muss regelmäßig und über längere Zeit erfolgen, bis sich eine Besserung einstellt. Viele Übungen lassen sich leicht im Alltag absolvieren. 10 Minuten täglich reichen. Schwangere können sich bei der Hebamme oder ihrer Gynäkologin oder dem Gynäkologen informieren.

 

Hier als Beispiel zwei Übungen:

  1. Diagonaler Vierfüßlerstand: Auf Knien und Händen abstützen, den Bereich des kleinen Beckens anspannen, Rücken gerade halten. Dann linkes Bein nach hinten und rechten Arm nach vorne strecken, Position kurz halten. Zurück in die Ausgangsposition und Seiten wechseln.
  2. Die Brücke: Rückenlage und Füße hüftbreit aufstellen, Arme locker ablegen. Intimbereich anspannen. Mit dem Einatmen Hüfte anheben, sodass eine gerade Linie von den Knien bis zum Brustkorb entsteht; mit dem Ausatmen Becken wieder absenken und entspannen.

Sportarten wie Yoga, Pilates, Radfahren, Reiten, Tanzen, Inline-Skaten, Schwimmen, leichtes Krafttraining und Wandern helfen, die Beckenbodenmuskeln zu festigen.

Auch Autogenes Training oder andere Entspannungsmethoden können bei Dranginkontinenz empfohlen sein.

  • Medikamente
  • Eingriffe/Operationen: Ob notwendig und sinnvoll entscheidet die Ärztin oder der Arzt: Vom Einspritzen von Botolinumtoxin in die Blase über Schlingen-Operationen bis zum implantierbaren Blasenschrittmacher gibt es verschiedene Möglichkeiten.
  • Hilfsmittel: Mit der behandelten Ärztin oder dem Arzt besprechen, welche Hilfsmittel (z.B. Einlagen, Schutzhose/Pants etc.) in Frage kommen; manche können verordnet werden. In bestimmten Fällen muss eine geringe Zuzahlung geleistet werden.

 

Risiko für Harnverlust gezielt verringern

Jeder kann selbst einige der Risikofaktoren für Inkontinenz verringern:

  • Gewichtsreduktion bei Übergewicht
  • Koffein und Zigaretten eher meiden
  • Vorsorgeuntersuchungen bei Fachärzten von Urologie oder Gynäkologie wahrnehmen
  • Prophylaktisches Beckenbodentraining
  • Dehydrierung vermeiden
  • Ausgewogene Ernährung
  • Regelmäßige Bewegung
  • Ausreichend Zeit für Toilettengang nehmen. Langes Zurückhalten bzw. Hinausschieben des Toilettengangs sind nicht gut. Starkes Pressen vermeiden.
  • Verstopfung vermeiden

Im Alltag den Beckenboden nicht zusätzlich belasten. Daher auf das richtige Heben von Lasten achten: Dabei in die Knie gehen, Rücken gerade halten, Bauch und Beckenboden anspannen, ruhig atmen.

Fotos: freepik

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